Blamiert sich der Lüdinghauser Stadtrat?

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Alle, die schon einmal Kontakt zu Flüchtlingen hatten, wissen, dass Ihnen neben grundsätzlichen Bedürfnissen wie ein Dach über dem Kopf und genug Nahrung vor allem eines wichtig ist: Eine Internetverbindung.
Denn diese ist leider häufig die einzige Möglichkeit mit Freunden und Verwandten in der Heimat weiter in Kontakt zu bleiben, um zu wissen, ob es diesen – unter den Umständen von Krieg und Verfolgung oder auch einer Flucht – gut geht oder ob sie überhaupt noch leben. Post oder Telefonverbindungen funktionieren leider meist nicht.



Auch hilft den Flüchtlingen das Internet dabei, sich in der für sie neuen Welt zurechtzufinden, z.B. indem sie sich Begriffe übersetzen, sich über die Stadt oder das Land und bestehende Angebote von z.B. Sprach- und Integrationskursen oder auch Sportangebote zu informieren, was praktisch nur über das Internet geht. Und haben sie erst einmal neue Freunde hier bei uns gefunden, wäre es doch auch schön, wenn sie mit ihnen über die heute gebräuchlichen Messenger und Sozialen Medien in Kontakt bleiben könnten. Ohne Internetzugang keine Integration!

Dies haben viele erkannt und haben nach einer Lösung gesucht, wie man in Flüchtlingsunterkünften den Flüchtlingen Internet zur Verfügung stellen kann, ohne gleichzeitig z.B. von der Störerhaftung betroffen zu sein. Die Lösung war hier Deutschlandweit in den allermeisten Fällen Freifunk. Auch in Lüdinghausen und Seppenrade wurde von vielen diese Möglichkeit in Anspruch genommen. So nutzt auch die Stadtverwaltung neben den Freifunk-Knoten in Rathaus, Burg und Bauhaus auch Freifunk in Flüchtlingsunterkünften (z.B. in der Unterkunft in der ehemaligen Kaserne in Seppenrade (leider hat die Stadt nach dem ursprünglichen Aufbau die Installation einmal abgebaut und danach nur noch einen der ursprünglich vier Freifunk-Knoten wieder in Betrieb genommen) und in den Häusern in der Mühlenstraße).
Dies ist ja auch stimmig, nachdem der Stadtrat im vorletzten Jahr, am 24.09.2015, beschlossen hat (hier die entsprechende Beschlussvorlage):

Die Verwaltung wird beauftragt, Freifunk in Lüdinghausen im Rahmen der tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten zu unterstützen.

Direkt nach dem Ratsbeschluss wurden für ca. 1500€ Geräte angeschafft. Jeder der weiß, wie viel ein Freifunk Router kostet (zwischen 20€ und 50€) kann sich dann ausrechnen, dass eine ganze Reihe an Geräten angeschafft wurden. Doch die vor eineinhalb Jahren bestellten Geräte sind noch lange nicht verbaut. Aktuell sind von städtischer Seite nur 10 Freifunk-Knoten in Betrieb. Es liegen also noch sehr viele ungenutzte Geräte herum (und dies trotz meiner regelmäßig vorgebrachten Unterstützungsangebote).

Neben dieser, gelinde gesagt, für die Steuerzahler suboptimalen Situation, kommt jetzt der Knaller von der Verwaltung in Form einer Sitzungsvorlage für den Ausschuss für soziale Infrastruktur und Familienförderung. Diese stellt, laut der Aussage des AK Asyl, bereits eine abgemilderte Form dar – zunächst wollte die Verwaltung anscheinend empfehlen, dass keine Internetanschlüsse in den Unterkünften benötigt würden.

Doch nun konkreter zu der Vorlage der Verwaltung. Aufgeführt werden hier unter anderem die bereits oben genannte Kaserne (Seppenrader Dorfbauerschaft 11) und es wird genannt, dass hier drei zusätzliche Access-Points für eine optimale Ausstattung mit WLAN benötigt würden. Also genau die drei Geräte, die abmontiert worden sind und nicht wieder angebracht wurden. Übrigens war eines dieser Geräte zudem ein Spendengerät von TP-LINK.
Weiter geht es mit der Mühlenstrasse 68 und 70. Hier wird erwähnt, dass ein weitere Access-Point benötigt wird, was sicherlich richtig ist aber leicht aus dem Pool der Stadt innerhalb von wenigen Minuten erledigt werden könnte.

Außerdem werden die weiteren Unterkünfte Olfener Straße 11, Ostwall 9, Rohrkamp 6 und 24, Stadtstannenweg 3a sowie Am Westruper Bach 1 und 3 erwähnt. Für die Einrichtung von Internetanschlüssen veranschlagt die Verwaltung für das erste Jahr rund 25.000€ (14.500€ einmalige Kosten und 10.500€ laufende Kosten). Bitte was?
Was möchte die Gemeinde denn bitte kaufen/bauen? Gehen wir doch die einzelnen Unterkünfte einmal durch. Seppenrader Dorfstrasse und die Unterkünfte in der Mühlenstrasse benötigen, wie oben gezeigt, nur einige weitere Access-Points, die zum Großteil schon montiert und eingerichtet waren. Sie müssten einfach wieder aufgehängt werden, was ich als kostenneutral betrachte (immerhin ist eine Mitarbeiterin der Stadtverwaltung mit dem Ausbau von Freifunk beauftragt worden – gerne helfe ich aber auch wieder).
Bei allen oben genannten Unterkünften ergab die Verfügbarkeitsprüfung der Telekom, dass DSL verfügbar ist. D.h., dass, wenn z.B. ein Anschluss bei der Telekom gebucht werden würde, einmalige Kosten von 69,95€ pro Unterkunft anfallen würden, was bedeutet, dass hierfür einmalige Kosten von 489,65€ anfallen würden (wobei man unter Umständen bei der Adresse Am Westruper Bach auch nur auf einen Anschluss zurückgreifen könnte, also 69,95€ sparen könnte). Jetzt muss sicherlich der Router eingerichtet und mit zwei Schrauben an der Wand angebracht werden, was von einem ortsansässigen Elektriker vorgenommen werden könnte. Selbst wenn wir annehmen, dass dies pro Standort 200€ kostet, da ja auch noch der Freifunk-Router aufgehangen werden muss (d.h. 1400€ insgesamt), sind wir alleine bei den einmaligen Kosten sehr weit von den Kosten der Verwaltung entfernt. Und dies lässt sich nicht durch die Anschaffungskosten für Freifunk-Geräte erklären, da diese einerseits noch in größerer Zahl vorrätig sind und andererseits pro Standort auch nur weitere 20-50€ an Kosten verursachen würden.

Kommen wir zu den laufenden Kosten: Hier gibt die Stadt laufende Kosten pro Jahr von 10.500€ an, d.h. 875€ pro Monat. Dies bedeutet, dass die Stadt pro Standort von laufenden Kosten von ca. 110€ ausgeht. Noch einmal: Bitte was? Ich weiß ja nicht, wo die Mitarbeiter der Stadtverwaltung ihre Internetverträge haben. Aber das aktuelle Prüfen über einen Preisvergleicher gab mir eher Werte von maximal 30€ pro Anschluss aus (auf zwei Jahre gestreckt, mit Hardware usw.). D.h. pro Jahr würden hier für alle Unterkünfte 2880€ an Kosten entstehen(die Mühlenstraße berücksichtige ich nicht, da hier bereits für einen anderen Zweck ein Internetanschluss liegt, der bereits für Freifunk genutzt wird).

Bleibt als Ergebnis: Die von der Stadtverwaltung ermittelten Kosten überschreiten die zu erwartenden um das mindestens fünffache (statt 25.000€ unter 5.000€)! Wahrscheinlich wäre es günstiger gewesen das Projekt Freifunk in Flüchtlingsunterkünften einfach anzugehen, anstatt jetzt eine teure und mangelhafte Studie durchzuführen und diese Vorlage zu erstellen. Der Stadtratsbeschluss vom 24.09.2015 hätte dies abgedeckt. Doch gegen die Durchführung dieses Beschlusses scheint sich die Stadtverwaltung zu sperren. Was sagt eigentlich der Stadtrat dazu, dass die Umsetzung bisher so stiefmütterlich behandelt wurde? Und was sagt der Bürgermeister, der Dienstherr, dazu?

Bleibt natürlich noch die Frage, ob es nicht ungerecht gegenüber Sozialleistungsbeziehern ist, wenn Flüchtlingen ein Internetanschluss bezahlt bekommen und diese nicht. Doch jeder der sich eine solche Unterkunft schon einmal angesehen hat, kennt hier nur eine Antwort: die Verhältnisse sind nicht zu vergleichen. Während sich die Flüchtlinge in den Unterkünften mit vielen anderen einen Raum teilen müssen und gar nicht die Möglichkeit haben sich in den städtischen Gebäuden selber einen DSL-Anschluss zu besorgen, sieht dies bei Sozialleistungsbeziehern und Flüchtlingen, die bereits in privat gemieteten Wohnungen wohnen können, ganz anders aus.

Ich kann daher abschließend nur meine Hoffnung ausdrücken, dass nach der mangelhaften Vorlage der Stadtverwaltung, der Stadtrat sich nicht blamiert und dieser folgt, sondern für nur 5.000€ für die Flüchtlinge und für unsere Stadt einen wichtigen Beitrag leistet und die Unterkünfte mit Internet und Freifunk versorgt.

Nachtrag vom 01.02.2017: Selbst wenn der im ersten Jahr auftretende Betrag und die späteren laufenden Kosten doch wider erwarten höher ausfallen sollten als hier dargestellt, halte ich eine Ausstattung der Unterkünfte mit Freifunk für unerlässlich. Immerhin geht es hier um eine enorme Verbesserung der Lebenssituation und einen wichtigen Beitrag zur Integration für einige hundert Personen.

Autor: Alexander Kallenbach

Mein Name ist Alexander Kallenbach. Ich schreibe hier auf Scroom über alles mögliche – vor allem aber über IT. Hierbei interessieren mich besonders freie und/oder quelloffene Software sowie deren Entwicklung und Einsatz. Außerdem interessieren mich Auswirkungen von IT auf unser Leben. Hierbei ist die Nutzung von Daten und somit auch Datenschutz ein Themenbereich.

5 Kommentare

  1. Hmm, da scheint jemand in der Stadtverwaltung ziemlich viel Provision für die Beschaffung von Internet Anschlüssen zu bekommen. Vermutlich kein Einzelfall in D und ein sehr gutes Beispiel für die Ignoranz einfacher Lösung und die Verschwendungssucht in den Verwaltungen

    • Hallo Christian,

      ich glaube nicht, dass es um Provisionen oder ähnliches geht. Vielmehr habe ich den Eindruck, als wäre dieser Vorschlag ein Versuch der Arbeitsvermeidung von der Stadtverwaltung. (wenn die Summen nur hoch genug sind, wird der Stadtrat schon dagegen votieren, so anscheinend die Hoffnung)
      Lange habe ich versucht die Situation so zu sehen, dass die Mitarbeiter natürlich auch andere Aufgaben haben und daher ihre knappen Zeitressourcen nicht sofort für die Umsetzung des Stadtratsbeschlusses vom 24.09.2015 zum weiteren Aufbau von Freifunk einsetzen können. Ich wollte ja auch weiter mit diesen Mitarbeitern zusammenarbeiten (möchte dies auch weiterhin).
      Leider kann man jetzt eineinhalb Jahre später die Situation aber kaum noch so interpretieren. Das Einrichten eines Freifunk-Knoten dauert 5 Minuten. Nachtrag Und ich habe immer wieder angeboten diesen Schritt zu übernehmen Nachtrag Ende Natürlich muss er dann noch am Ort der Bestimmung in eine Steckdose gesteckt werden und an einen Router gestöpselt werden. Aber auch dies dauert nicht Stunden, sondern Minuten. Auch das Beantragen eines DSL-Anschlusses ist innerhalb von Minuten online erledigt (selbst mit Preisvergleich!). D.h. für mich, dass die zuständigen Personen in der Stadtverwaltung innerhalb eines Arbeitstages für alle Unterkünfte die DSL-Anschlüsse hätten ordern können und die Freifunk-Knoten einrichten können.
      Ein weiterer Arbeitstag wäre sicherlich für Schaltung und Einrichtung der DSL-Anschlüsse gebraucht worden (auch der im Artikel erwähnte Handwerker hätte ja seine vier Schrauben in die Wand bohren müssen, um die Router anzubringen).
      Doch statt innerhalb von zwei Tagen endlich die Unterkünfte mit Freifunk auszustatten, wurde die Arbeitszeit für das Erstellen dieses Vorschlages verwendet, und dass obwohl – dies möchte ich betonen – die Einrichtung durch den ursprünglichen Stadtratsbeschluss abgedeckt gewesen wäre und die Geräte bereits vorrätig sind (ich konnte sie vor eineinhalb Jahren selbst in Augenschein nehmen).
      Mich als Beamter macht es besonders traurig, dass der Ruf der öffentlichen Verwaltung und des öffentlichen Dienstes durch das Verhalten einzelner hier leider dem Klischee entspricht, nämlich dem des Miefs in den Behörden.

      Für mich ist hier der Bürgermeister, als Dienstherr der Stadtverwaltung in der Pflicht, diese Missstände zu benennen und zu beseitigen und für die rasche Umsetzung von gefassten Stadtratsbeschlüssen zu sorgen und die Verschwendung von öffentlichen Mitteln (durch das jahrelange Lagern der Geräte) zu vermeiden.

      MfG

      Alexander Kallenbach

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