Massenüberwachung – Bürger oder Untertan?

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Oder warum Datenschutz und verschlüsselte Kommunikation essentiell sind?


Immer wieder werde ich gefragt, warum ich kein Facebook oder kein Whatsapp nutze oder warum ich Emails verschlüssele und einen verschlüsselten Messenger nutze. Direkt als nächstes folgt meist eine Rechtfertigung, derjenigen, die die angesprochenen Dienste nutzen und keinen Wert auf Verschlüsselung legen. Ich denke jeder kennt ähnliche Aussagen wie folgende:

„Als würde das jemanden interessieren, was ich schreibe …“
„Was soll denn schon passieren …“

Oder:

„Ich mache doch nicht Verbotenes …“
„Ich schreibe und teile nur Belangloses …“

Zunächst einmal würde ich dem auch zustimmen. Auch ich schreibe und teile eher belanglose Informationen.

Doch bei genauerem Hinsehen wird deutlich, dass hinter diesen Aussagen mehr steckt. Und zwar die Annahme, dass
1. denjenigen, die nichts falsches tun, nichts passiert und
2. dass man unterscheiden muss, zwischen „guten“ Bürgern und „schlechten“

Zunächst zu der zweiten Annahme1)die erste Annahme wird in einem gesonderten Artikel behandelt: Wer sind nun die „Schlechten“ oder auch die „Bösen“ und wer sind die „Guten“? Sicherlich fallen jedem durchschnittlichem Bürgen bei den „Schlechten“ direkt Terroristen, Pädophile und ähnliche Schreckensvisionen ein. Jeder, mir eingeschloßen, wird sicherlich zustimmen, dass das Möglichste getan werden sollte, Straftaten dieser Gruppen zu verhindern, zu verfolgen und zu bestrafen.
Doch nicht für alle sind nur diese Gruppen mit den „Schlechten“ und den „Bösen“ gemeint. Für die Mächtigen in Politik und Wirtschaft können es auch jene sein, die unbequem sind, die nachfragen und forschen, die eine andere Meinung äußern, also Journalisten, Aktivisten und Andersdenkende. Gruppen, die für den Erhalt und die Weiterentwicklung unserer Demokratie entscheidend sind.

Und die „Guten“? Stimmen denn die obigen Aussagen nicht? Dies kann sicherlich jeder selber überprüfen. Jede und jeder, die der Auffassung sind, dass sie nur Belangloses schreiben, was doch niemanden interessieren würde, sind aufgefordert die Login-Daten zu all ihren Email-Konten und Social-Media-Accounts in den Kommentaren zu hinterlassen. Dies macht natürlich niemand, jeder hat Dinge, von denen er nicht möchte, dass die Allgemeinheit darüber Bescheid weiß.
Wir Menschen sind soziale Wesen. Wir wägen ganz genau ab, wem wir was erzählen.
Wir verhalten uns in Gegenwart anderer auch anders, als wenn wir alleine sind. (Wer würde unter der Dusche singen, wenn die Kollegen zusehen würden?) Die Veränderung des Verhaltens von uns Menschen kann hierbei wirklich extrem sein, wie verschiedene Experimente zum Konformitätsdruck gezeigt haben. Zunutze machte sich dieses Phänomen auch das Panopticon von Jeremy Bentham.
Leider muss angenommen werden, dass der Konformitätsdruck uns unterbewusst auch bei unserer digitalen Kommunikation beeinflusst, da wir wissen, dass mitgelesen und mitgehört wird. Kreativität wird gebremst und wichtige Prinzipien und Grundlagen unserer Freiheiten werden untergraben.
Zu diesem Problem gesellt sich jedoch noch ein weiteres: Diejenigen, die sagen, dass sie nichts zu verbergen haben, haben akzeptiert, dass sie ausreichend harmlos für die Mächtigen sind. Dann und nur dann brauchen sie sich nicht vor Überwachung zu fürchten. Doch selbst wenn man selber jetzt und auch in Zukunft nicht politisch aktiv werden oder Nachforschungen anstellen möchte, so möchten dies andere, wie die schon angesprochenen Journalisten und Aktivisten. Wenn allerdings nur wenige diese Technologien nutzen, so sind Angriffe technisch eher möglich und außerdem geraten diese für unsere Gesellschaft wichtigen Gruppen eher in den Fokus derjenigen, die ihre Arbeit verhindern möchten.
Überwachung photo
Nicht immer haben die Menschen das Internet zur Kommunikation genutzt. Noch vor gar nicht allzu langer Zeit waren Briefe und Telegramme Hauptkommunikationsmittel. Überwachung war auch hier möglich und wurde immer wieder auch angewandt. Genau diese historische Erfahrung war Grund dafür, dass das Brief, Post und Fernmeldegeheimnis Grundrecht geworden ist.2)So schreibt Dieter Hesselberger in seinem Grundgesetzkommentar: „Seine Ausgestaltung als Grundrecht beruht auf der Erfahrung früherer Jahrhunderte und aus der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft, daß die Brief- und Postkontrolle stets aufs neue als Instrument zur Bespitzelung der als Untertanen verstandenen Bürger verwendet wird.“ [Hesselberger, Dieter: Das Grundgesetz. Kommentar für die politische Bildung. Bonn 2003. S. 139]
Selbst wenn wir also der Auffassung sind, dass wir langweilig sind und nur belanglose Dinge schreiben, so sollten wir dennoch zum Schutz der Demokratie auf den Schutz unserer Daten achten und Verschlüsselungstechnologien einsetzen.

Jeder muss entscheiden: Möchte ich Bürger oder Untertan sein?

Diese Entscheidung endet sicher nicht mit dem Einsatz von Verschlüsselungstechnologien. Unsere Demokratie muss aktiv durch uns Bürger verteidigt werden. Aber der Einsatz von Verschlüsselung ist gerade für diese Verteidigung notwendig.3)Als Grundlage für den Beitrag diente mir vor allem diese Rede von Glenn Greenwald.

Fußnoten

Fußnoten
1 die erste Annahme wird in einem gesonderten Artikel behandelt
2 So schreibt Dieter Hesselberger in seinem Grundgesetzkommentar: „Seine Ausgestaltung als Grundrecht beruht auf der Erfahrung früherer Jahrhunderte und aus der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft, daß die Brief- und Postkontrolle stets aufs neue als Instrument zur Bespitzelung der als Untertanen verstandenen Bürger verwendet wird.“ [Hesselberger, Dieter: Das Grundgesetz. Kommentar für die politische Bildung. Bonn 2003. S. 139]
3 Als Grundlage für den Beitrag diente mir vor allem diese Rede von Glenn Greenwald.

Autor: Alexander Kallenbach

Mein Name ist Alexander Kallenbach. Ich schreibe hier auf Scroom über alles mögliche – vor allem aber über IT. Hierbei interessieren mich besonders freie und/oder quelloffene Software sowie deren Entwicklung und Einsatz. Außerdem interessieren mich Auswirkungen von IT auf unser Leben. Hierbei ist die Nutzung von Daten und somit auch Datenschutz ein Themenbereich.

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